Die Debatte um die »Vernichtung lebensunwerten Lebens«

Das griechische Wort Euthanasie bedeutet guter Tod und meint die ärztliche Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen.

Ende des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Bedeutung: Ärzte sollen unheilbar kranke Menschen von ihren Leiden erlösen, in dem sie dem Leben ihrer Patienten ein Ende setzen. 1895 forderte der Philosophiestudent Adolf Jost in Deutschland erstmals die gesetzliche Freigabe der Tötung auf Verlangen und damit das »Recht auf den Tod«. Gründe dafür sollten Mitleid mit den Schwerkranken und der fehlende Nutzen ihres Lebens sein.

Nach dem Ersten Weltkrieg radikalisierte sich die Debatte: Der Jurist Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche forderten die Freigabe der »Vernichtung lebensunwerten Lebens« und damit die Tötung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen. Sie hätten im Zustand des »geistigen Todes« weder den Willen zu leben noch den Willen zu sterben. Unverholen wurden sie als »Ballastexistenzen« bezeichnet.

Während die Tötung von Kleinkindern mit Behinderungen unter Rassenhygienikern als Möglichkeit zur Verbesserung der erblichen Beschaffenheit des »Volkskörpers« diskutiert wurde, wurde die »Vernichtung lebensunwerten Lebens« vor allem mit ökonomischen Motiven begründet.

Bild: Ewald Meltzer: Das Problem der Abkürzung »lebensunwerten« Lebens, Halle/Saale, 1925
Ewald Meltzer: Das Problem der Abkürzung »lebensunwerten« Lebens, Halle/Saale, 1925
© Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle/Saale
Bild: Krankengeschichte Adelheid B. mit dem Eintrag »Lebensunwertes Leben!«
Krankengeschichte Adelheid B. mit dem Eintrag »Lebensunwertes Leben!«
© Bundesarchiv Berlin R 179/22496