Kirchenvertreter

Bischof Clemens August von Galen (1878–1946) verurteilte in einer Predigt Anfang August 1941 offen die »Euthanasie«-Morde. Kopien dieser Predigt verbreiteten sich im ganzen Deutschen Reich und sorgten für Aufruhr. Aufgrund der Beliebtheit Galens wollte das Regime nicht gegen ihn vorgehen.

Wenn einmal zugegeben wird, dass Menschen das Recht haben, unproduktive Mitmenschen zu töten, und wenn es jetzt zunächst auch nur arme, wehrlose Geisteskranke trifft, dann ist grundsätzlich der Mord an allen unproduktiven Menschen, also an den unheilbar Kranken, den arbeitsunfähigen Krüppeln, den Invaliden der Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben. Dann braucht nur irgendein Geheimerlass anzuordnen, dass das bei den Geisteskranken erprobte Verfahren auf andere Unproduktive auszudehnen ist, dass es auch bei den unheilbar Lungenkranken, bei den Altersschwachen, bei den Arbeitsinvaliden, bei den schwer kriegsverletzten Soldaten anzuwenden ist. Dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher. Irgendeine Kommission kann ihn auf die Liste der Unproduktiven setzen, die nach ihrem Urteil lebensunwert geworden sind.

Auszug aus der Predigt von Bischof von Galen, 3.8.1941

Pastor Paul Gerhard Braune (1887–1954) leitete die Hoffnungstaler Anstalten bei Bernau. Dort verhinderte er zunächst Deportationen durch die T4-Organisation. Er recherchierte die Hintergründe der »Aktion« und sendete die Ergebnisse als Denkschrift im Juli 1940 an Adolf Hitler und Hermann Göring. Als Folge musste er drei Monate in Haft. Die Geheimhaltung der »Euthanasie«-Morde verhinderte ein Gerichtsverfahren und führte so zu seiner Freilassung.

Im Laufe der letzten Monate ist in verschiedenen Gebieten des Reiches beobachtet worden, daß fortlaufend eine Fülle von Insassen der Heil- und Pflegeanstalten aus »planwirtschaftlichen Gründen« verlegt werden, (...) bis nach einigen Wochen die Todesnachricht bei den Angehörigen eintrifft. Die Gleichartigkeit der Maßnahmen und ebenso die Gleichartigkeit der Begleitumstände schaltet jeden Zweifel darüber aus, daß es sich hierbei um eine großzügig angelegte Maßnahme handelt, die Tausende von »lebensunwerten« Menschen aus der Welt schafft. (...)
Es ist dringend notwendig, diese Maßnahmen so schnell wie möglich aufzuhalten, da die sittlichen Grundlagen des Volksganzen dadurch aufs Schwerste erschüttert werden. (...) Es ist untragbar, daß kranke Menschen fortlaufend ohne sorgfältige ärztliche Prüfung und ohne jeden rechtlichen Schutz, auch ohne den Willen der Angehörigen und gesetzlichen Vertreter zu hören, aus reiner Zweckmäßigkeit beseitigt werden.

Denkschrift Paul G. Braune an Adolf Hitler, 9.7.1940, zit. nach Ernst Klee: Dokumente zur »Euthanasie«, Frankfurt/M. 1985, S. 151-152
Bild: Bischof Clemens August Graf von Galen, undatiert
Bischof Clemens August Graf von Galen, undatiert
© Bistumsarchiv Münster, Bildersammlung von Galen, Clemens August/Fotograf: Gustav Albers
Bild: Paul Gerhard Braune, um 1940
Paul Gerhard Braune, um 1940
© Archiv der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal